Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2008; 13(1): 32-37
DOI: 10.1055/s-2007-963351
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wertschöpfung statt Kostenreduktion - Ein Plädoyer für die Globale Ökonomische Effizienz

Creating Value Instead of Merely Reducing Costs - An argument for Global Economic EfficiencyF. Porzsolt1
  • 1Klinische Ökonomik, Universität Ulm
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Publication Date:
12 February 2008 (online)

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Zusammenfassung

Im April 2007 ist in Deutschland eine weitere Gesundheitsreform in Kraft getreten. Diese Reform induzierte bereits innerhalb weniger Tage zwei positive Effekte: Sie wurde ebenso intensiv wie kontrovers diskutiert, und sie stimulierte wissenschaftliche Überlegungen zur Notwendigkeit der Reform, zu deren inhaltlichen Begründung und zu ihren Konsequenzen. Auch wenn die Notwendigkeit für die eilige Durchführung der Reform nicht unmittelbar zu erkennen ist, gibt es hinreichend Anlass zur Diskussion, weil wir die klaffenden Sichtweisen von Ökonomen und Medizinern nur annähern können, wenn sie diskutieren. Die Überlegungen zur inhaltlichen Begründung der Reform decken auf, dass wir bisher nur eine der beiden Komponenten der globalen Effizienz konsequent umsetzen. Wir führen regelmäßig Kosten-Effektivitäts-Analysen durch und werden damit der Forderung nach Messung der technischen Effizienz gerecht. Die Umsetzung der zweiten Komponente der globalen Effizienz, nämlich der allokativen Effizienz, d. h. der Präferenzen der Betroffenen - hier der Patienten - kommt nur zum Tragen, wenn uns die Gesellschaft keine andere Wahl lässt, z. B. bei der Finanzierung von Intensivstationen oder Screening-Mammografien, die anhand der technischen Effizienz (Kosteneffektivität) nicht zu rechtfertigen wären. Um diese Maßnahmen zu rechtfertigen, werden andere Maßstäbe, jene der allokativen Effizienz (Berücksichtigung von Präferenzen) angelegt. Als Ergebnis der Reform sollten wir die Verwendung von zweierlei Maß nicht akzeptieren und die generelle Anwendung beider Komponenten, der technischen und der allokativen Effizienz, fordern. Das bedeutet nicht, dass wir im Gesundheitssystem alles zu finanzieren haben, was der Präferenz der Betroffenen entspricht. Da wir die Betroffenen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen haben, kommen umfassende Aufgaben auf uns zu. Es gilt, beides zu erhalten, die Stabilität des Systems und die Autonomie der Betroffenen.

Abstract

In April 2007 a further healthcare reform came into effect in Germany. This reform had two positive effects within days of its introduction: it was intensively and controversially discussed, and it stimulated scientific considerations about the necessity of the reform in the first place, its contents, and its consequences. Even if the urgency with which the reform was conducted is not immediately apparent, there are sufficient reasons to discuss it because that is the only way we can only begin to understand the widely divergent opinions of economists and physicians. Careful consideration of the reform's contents reveals that we have hitherto consequently realized only one of the two components constituting global efficiency. We continuously perform cost-effectiveness analyses and thereby fulfill the requirements for measuring technical efficiency. Realization of the second component of global efficiency, i.e., patients' preferences, like financing intensive wards or mammography screening - which cannot be justified in terms of technical efficiency (cost effectiveness) - is only achieved when society does not offer us any alternatives. Other standards are required to justify such measures - those of allocation efficiency (taking preferences into consideration). We should not accept the use of two different standards to judge the results of the reform, but demand the general application of both components, technical and allocation efficiency. This does not mean that we have to finance everything that patients want in the healthcare system. Since we have included patients in the decision-making process, we are also faced with comprehensive tasks. Both the stability of the system and the autonomy of its stakeholders must be maintained.

Literatur

1 In jedem dieser Zustände besteht das Streben nach „Gefühlter Sicherheit”.

2 COPD: chronic obstructive pulmonary disease.

3 Es gibt Messinstrumente, die lediglich eines der Kriterien erfassen, andere erfassen lediglich die Schnittmengen mehrerer Kriterien oder einzelne Kriterien und Schnittmengen.

4 Nil novum sub sole gilt offensichtlich aber auch dabei, weil der Ökonom Adam Smith [19] seine „Theorie der ethischen Gefühle (The theory of moral sentiments)” bereits 1759 publiziert hatte.

Franz Porzsolt

Klinische Ökonomik, Universität Ulm

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